BFEK-3 Eilenburg - Bataillon funkelektronischer Kampf

Vorwort

Über 34 Jahre ist es nun jetzt her, wo ich als NVA Funkaufklärer meinen Wehrdienst leisten musste. Das Abhören von bestimmten Frequenzen und Suchen von neuen Frequenzen der US Air Force in der BDR war meine Aufgabe. Auch wenn wir es nicht so empfunden haben, aber es war schon ein wenig Spionage oder die NSA der DDR. Auf dieser Seite habe ich versucht einige Erinnerungen nieder geschrieben, sofern ich noch alles zusammen bekomme.

Einberufung nach Dessau

RFT / VEB Funkwerk Köpenick EKD-300 KW-Empfänger RFT / VEB Funkwerk Köpenick EKD-300 KW-Empfänger
Meine Ausbildung begann im Funkaufklärungsregiment-2 in Dessau. Lernen vom Militär-Englisch, auswendig lernen vom NATO Buchastbieralphabet bis hin zur Bedienung bestimmter Empfänger für den Kurzwellenempfang waren Großteil der Ausbildung. Mit sehr gewöhnungsbedürftigen Kopfhörern mussten wir 8 Stunden englische Funksprüche mitschreiben. Um die Sache zu erschweren, hat unser Ausbilder riesige Lautsprecherboxen aufgebaut und laute Gefechtsgeräusche abgespielt. Sinn der Übung war es, sich durch nichts ablenken zu lassen und gezielt nur auf die Funksprüche zu konzentrieren. Zwischendurch immer wieder Schnellschreibübungen - die Buchstaben von A bis Z so oft wie möglich in 60 Sekunden lesbar schreiben. Auch im sogenannten „Junkers-Hochhaus” wurde ein Teil der Ausbildung absolviert. Ein riesiger Raum mit unzähligen Kurzwellen Empfänger an deren unterschiedliche Frequenzen abgescannt wurden. Für damalige Verhältnisse wurden moderne RFT Empfänger wie REV-251, EKD-300 und EKD-500 eingesetzt. Böse Zungen behaupten, es seien hier Funkaufklärer wahnsinnig geworden und aus dem Fenster gesprungen.

Verlegung nach Eilenburg

KDL-Eilenburg.jpg Ich weiß leider nicht mehr wer mir dieses Foto zur Verfügung gestellt hatte, aber es zeigt den Kontrolldurchlass (KDL) der Kaserne Eilenburg. Auch hier mussten wir Wachdienst schieben.
Nach der Ausbildung in Dessau war ich dann vom 23. August 1988 bis 27. April 1990 im Bataillon funkelektronischer Kampf (BfeK) 3 in Eilenburg stationiert. Die Kaserne befand sich auf Kranoldstraße 13-19 und lag unter der Führung von Major Uwe Rammelt und war dem Militärbezirks III unterstellt. Dessen Aufgabe war die gezielte Funkaufklärung und Funkstörung. Und genau hier begann die auch eigentliche echte Funkaufklärung. Hier wurde unter anderem der Funkverkehr der in der BRD stationierten US Air Force abgehört, mitgeschnitten und ausgewertet. Hier wurde auch der Funkverkehr vom Flugzeugabsturz in Ramstein am 28. August 1988 mitgeschnitten.

Alles streng Geheim

In Eilenburg war alles streng Geheim. Nach Außen hin gab es hier keine Funkaufklärung, nur eine Geschoßwerfer-Abteilung mit russischen Soldaten und etwas Nachrichtendienst der NVA. In Wirklichkeit war in einem Gebäude (Stabsgebäudes Block 5) unter dem Dach die Funkaufklärung zu Hause. Es waren nur zwei Langdrahtantennen zu sehen die als V-Antenne quer über den Exerzierplatz in Richtung Westen gespannt waren. Im selben Gebäude waren auch Räume der Stasi untergebracht, die sogar Breitband-Empfänger der Marke AOR AR3000 besaßen. Deren Kenntnis hatten wir damals aber erst 1990 erfahren, nachdem die dortigen Offiziere in einer Nacht- und Nebelaktion die Kaserne in unbekannte Richtung verlassen hatten. Aber zurück zur Funkaufklärung unterm Dachgeschoß. Alles war so Geheim, dass wir nicht einmal unseren Verwandten von der Tätigkeit erzählen durften. Sollte jemand Fragen, dann sollten wir sagen das wir beim Nachrichtendienst sind.

Leiter Funkwache

Im letzten Stock eines Gebäudes gab es eine Stahltür mit Sprechanlage. Rein durfte nur Leute, die eine bestimmte Berechtigung hatten. Ein langer Flur führte an einer provisorischen Küche vorbei und weiter zum Raum „Leiter der Funkwache”. Hier durfte ich dann später meine 24-Stunden Dienste, von 8 Uhr bis 8 Uhr am nächsten Tag, durchführen. 24-Stunden Dienste bedeutete auch, 24 Stunden ohne Schlaf und am Empfänger sitzen, nur mit Pausen dazwischen. Danach hatte man in der Regel 1 bis 2 Tage Freizeit. Gleich hinter der Tür standen mannshohe Antennenverstärker, die wir bei Gewitter ausschalten mussten. Ebenfalls bestückt war der Raum mit Empfänger EKD-300, EKD-500, einen Fernschreiber und ROBOTRON Computer (wurde nie wirklich benutzt) sowie einer Sprechverbindung nach Rudolstadt (Funk- und Funktechnisches Aufklärungsbataillon 3). Hierhin wurden verschlüsselte Telegramme mit den neusten Funksprüchen übermittelt. Dafür gab es im Gebäude eine eigene Chiffrier-Abteilung. Im Raum der Funkwache gab es am Tag immer mehrere Unteroffiziere. Tagsüber hatte hier Stabsfeldwebel Jörg Kahl das Sagen. Und ohne starken Kaffee hatte er keine Taste am Empfänger bedient :-) Weiterhin gab es noch eine riesige beleuchtete matte Plexiglasscheibe an der Wand. Hier wurden die Zusammenhänge der aktiven Frequenzen, gehörten Rufzeichen, Standorte der US Stützpunkte und Gefechts-Übungen (Exercise) des Gegners gesucht. Nicht alle Rufzeichen konnten sofort bestimmten US Stützpunkten zuordnet werden - ss war definitiv Sisyphusarbeit.

Arbeitsplätze der Funkaufklärung

Kurzwellen Empfänger R-250 Der russische Kurzwellen Empfänger R-250
Der Raum von der Funkwache hatte eine riesige große Glasscheibe mit Blick auf die vielen Arbeitsplätze der Funkaufklärung. Ich glaube es waren 4 Arbeitsplätze die 1988 noch mit russischen KW-Empfänger der Marke R-250 M bestückt waren, wo ein Gerät ein beachtliches Gewicht von 95kg hatten. Zu diesem Gerät mussten wir alle Regler, Schalter und die „Grundschalterstellung” auswendig lernen. Gut das wir deutsche Übersetzungen von der russischen Bedienung hatten. Diese Empfänger waren unverwüstlich, da hätte man mit Panzer darüber fahren können, sie würden funktionieren. Doch irgendwann war die Zeit der russischen Geräte wobei und nagelneue RFT Empfänger der Marke EKD-300 zogen ein. Der digitale Einzug war ein Geschenkt Gottes und im Gegensatz zum R-250 wogen sie nur 24kg. An diesen Arbeitsplätzen wurde nach neuen Frequenzen gesucht und bestimmte Frequenzen rund um die Uhr beobachtet. Alle Arbeitsplätze waren zudem mit RFT Kassettenrecordern bestückt, die innerhalb weniger Sekunden den Funkverkehr aufzeichnen konnten.

Die heißen Frequenzen

„Jorden99, Jorden99 this is Jorden Jorden. All stations stand by for radio check” oder „JO99 de JO all stn stby rc” in der Mitschreibversion. Von Montag bis Freitag war auf 3940 khz um 8 Uhr Ortszeit große Verbindungsüberprüfung vieler US-Stationen. Hierzu wurde der Funkverkehr immer auf Tonbandkassetten mitgeschnitten und live auf einem sogenannten Spruchformular aufgeschrieben. Damit die Funksprüche live mitgeschrieben werden konnten, mussten wir Abkürzungen lernen und Abkürzungen für Abkürzungen. Die Frequenz 3940 khz war damals mehr oder weniger auch Übungsfrequenz. Jorden, Fanbelt, Costline, Morpha, Brama um nur wenige Rufzeichen zu nennen. Die richtig heißen Funksprüche liefen jedoch auf anderen Frequenzen. Eine dieser war die 5705 khz. Wenn es hier im Lautsprecher knarrte, dann wussten wir wer sich gleich meldet. Die Hauptrufzeichen waren hier Jury Man, Chowder, Doctor Fager und Pegasus. Auf dieser Frequenz wurden auch virtuell bestimmte Ziele in der DDR als Angriffsziele für Luftangriffe übermittelt. So waren zum Beispiel die Bahnhöfe Leipzig und Dresden virtuelle Angriffsziele. Auf dieser Frequenz waren nur Einheiten der US Air Force aktiv.

Bereit für echte Funksprüche aus der Funkaufklärung?

Zur damaligen Zeit war es eine Strafe irgendwelches Material aus der Kaserne zu schmuggeln. Ein Tonbandkassette hatte sich dann doch in meine Tasche verwirrt, mit der Absicht eines Tages darüber zu berichten und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Hätte man mich erwischt, wäre ich sofort mit Militärpolizei (MP) nach „1330” verfrachtet worden. 1330 war die Abkürzung und PLZ vom Militärgefängnis Schwedt/Oder - das einzige Militärgefängnis in der DDR.

Viele Jahre lag dann nun diese Tonbandkassette in einer verschlossenen Box. Mit dem Einzug von Internet und MP3 habe ich die Aufnahmen später digitalisiert. Und hier an dieser Stelle eine Aufnahme von 1988 aus dem BFEK-3 Eilenburg von der Frequenz 5705 khz: Zu hören sind die Station Chowder 01, 20, 33, 35 und 36 die nach einer Verbindungsüberprüfung die Auftragsnummern G221, G123 und G117 übermitteln und deren Erhalt bestätigen. Chowder 01 ist hierbei die leitende Station. Einige Teile dieser Aufnahme haben es sogar in einem MDR-Beitrag geschafft, jedoch ohne davon zu wissen. Der MDR hatte 2017 einen Beitrag zum Thema Funkaufklärung verfasst. Sollte der Link zur Mediathek noch funktionieren, dann ist der Beitrag unter diesem Link zu finden:

Hier noch ein Original Funkmitschnitt aus Eilenburg: Zu hören sind die Rufzeichen „Jury Man” und „Pegasus”. Abgehört wurden dabei die Truppenübungsplätze und Stützpunkte wie Grafenwöhr, Wiesbaden, Geilenkirchen, Ramstein und Spangdahlem. Teilweise wurde aber auch der Funkverkehr der Bundeswehr und der deutschen Luftwaffe mitgehört. Jedoch hatte dieser für uns nur wenig Bedeutung. Auch die Frequenz 11175 khz (Croughton AB, United Kingdom), die übrigens bis heute noch aktiv ist, war eine feste Frequenz die unter Beobachtung stand. Gerade an stressigen Tagen, wenn die US Streitkräfte ihre Übungen absolvierten, sind wir kaum mit Schreiben hinter gekommen. Unzählige Kassetten mit Funksprüchen wurden dann in den Folgetagen ausgewertet und analysiert.

Bilder und Dokumente

Wehrdienstausweis Noch einige Andenken an die damalige Zeit: Wehrdienstausweis, Dienststellenausweis, die Aluminium „Hundemarke” und Klassifizierungsabzeichen Nachrichtendienst. Alter dieser Andenken liegt jetzt bei 34 bis 36 Jahren.
EK-Tuch / Reservistentuch Das EK-Tuch (auch Reservistentuch genannt) für ehemalige Angehörige der NVA, bekam der Soldat zum Ausscheiden aus dem aktivem Wehrdienst. Bedruckt mit Motiven aus der Armee. Damals wurden diese Tücher oft mit den Unterschriften anderer Kameraden versehen und als Erinnerungsstück aufgehoben. Dieses hier ist jetzt 34 Jahre alt!
RFT Kurzwellen Empfänger EKV Auch der RFT Kurzwellen Empfänger EKV wurde für die Funkaufklärung eingesetzt. Mit einem Gewicht von 52kg gehörte er auch zu den Schwergewichten unter den Empfängern.
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Und heute?

Mit dem Ende der DDR kam auch 1990 das Ende der NVA Funkaufklärung. Viele Funkaufklärer haben den Wehrdienst verlassen. Vieles von der Technik wurde verschrottet bis auf wenige Geräte, die heute bei Amateurfunkern stehen. Im ehemaligen Gebäude der Nachrichtenkompanie befindet sich heute das Landratsamt Nordsachsen - Außenstelle Eilenburg. Vieles wurde umgebaut und man erkennt die einst grauen Gebäude fast nicht mehr wieder. Die Zeit als Funkaufklärer hat geprägt. Nach der Entlassung habe ich die Amateurfunkprüfung in Dresden abgelegt und bin bis heute dabei. Den Kurzwellen Empänger EKD-300 hatte ich dann auch einige Jahre zu Hause, aber aus Platzgründen später verkauft. Und wenn ich heute über die Kurzwelle drehe ist es fast so wie früher - man achtet auf jedes Geräusch im Hintergrund einer Funkverbindung. Vor einigen Jahren hatte ich zudem einen Flugschein für UL-Flugzeuge gemacht - was soll ich sagen, der Flugfunk begleitet mich bis heute. Kürzlich bin ich auch gefragt worden, welche Waffenfarbe wir hatten. Nun ja, sie war Weiß.

Literatur zum Thema Funkaufkläsung in der NVA

Die Militäraufklärung der NVA: Die Funk- und Funktechnische Aufklärung (FuAR-2/ZFD) - ehemalige Aufklärer berichten (Geheime Nachrichtendienste). In langer Arbeit wurden hier Erinnerungen zusammengetragen und in vielen Abbildungen und Fotos der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
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[Änderungen vom Inhalt sind möglich. Ich bin noch in der Aufarbeitung der damaligen Erlebnisse. ]